Veranstaltung mit Prof. Martin Burgi und
Dr. Maximilian Elspas von Graf von Westphalen am 22. November 2022
Blogbeitrag von Philip Ermacora
„Versorgungsicherheit im Zweifel wichtiger als Klimaschutz“ titelt die FAZ. „Beitrag zur Versorgungssicherheit durch Braunkohle“ lautet eine Überschrift der Süddeutschen Zeitung. Löst der neue Hype der Versorgungssicherheit die alte Diskussion über die Transformation zu einer nachhaltigen Energieversorgung ab?
Unser Vortrag beschäftigte sich mit dem Thema der Versorgungssicherheit und der Nachhaltigkeit im Energierecht. Anders als es die Aktualität des Themas vermuten lässt, war Versorgungssicherheit nicht erst mit dem Energiekrieg Russlands ein aktuelles Thema. Vielmehr stand die Versorgungssicherheit schon immer im Mittelpunkt des Energieregulierungsrechts. So ist der erste Zweck des Energierechts „eine möglichst sichere […] Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität, Gas und Wasserstoff“ § 1 Abs. 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG).
In dem ersten Teil unseres interdisziplinären Vortrags arbeitete Prof. Dr. Martin Burgi die Rolle der Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit im europäischen und nationalen Recht heraus:
Primär unterlag das Energierecht dem Paradigma der Versorgungssicherheit, des Wettbewerbes und des Verbraucherschutzes. Durchgesetzt wird der Wettbewerb, eingebettet in ein hoch kompliziertes Regulierungsrecht, von der Bundesnetzagentur. Hinzu trat das Paradigma der Energiewende. So wurde in die Zweckbestimmung des § 1 Abs. 1 EnWG „Versorgung“ um die Adjektive „effizient, umweltverträglich und treibhausgasneutral“ ergänzt und ein neues Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) geschaffen. Hiernach sollen alle Rechtsgüter in der Abwägung den erneuerbaren Energien unterliegen (vgl. § 2 EEG n.F.). Auch das BVerfG liest in die Verfassung das Schutzgut der Versorgungssicherheit hinein. „Die Versorgungssicherheit steht auf der gleichen Stufe wie das Interesse am täglichen Brot“ heißt es bereits in BVerfGE 25, 1 (16). Spätestens seit seinem Klimabeschluss gilt das Gleiche auch für das Gebot der Nachhaltigkeit in Art. 20a GG und den Grundsatz der „intertemporalen Freiheitssicherung“.
Eine ähnliche Entwicklung macht auch der europäische Gesetzgeber. So wird in dem Vertrag von Lissabon der Titel „Energierecht“ (Art. 194 AEUV) vor dem Hintergrund eines Ukrainisch-Russischen Gasstreits (2005) aufgenommen. Auch in dem AEUV wird das Energierecht unter dem Ziel der Transformation in ein klimaneutrales Energienetz ausgestaltet. So steht das Ziel der „Förderung der Energieeffizienz und […] Entwicklung neuer und erneuerbarer Energiequellen“ (Art. 194 I lit. c AEUV) auf gleicher Ebene wie die „Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit“ (Art. 194 Abs. 1 lit. b AEUV).
Der zweite Teil des Vortrags wurde von Dr. Maximilian Elspas, Partner bei Graf von Westphalen, die uns als Verein sponsern, gehalten. Er verdeutlichte, dass Energierecht ein Querschnittsthema aus allen Rechtsgebieten ist. Am Beispiel des Baus einer Windenergiekraftanlage wurden die zivil- und öffentlich-rechtlichen Überschneidungen betont. So reicht das Energierecht von dem Gesellschaftsrecht – relevant für die Gründung einer Projektgesellschaft zu Beginn der Planung, um mögliche Haftungen zu minimieren – bis hin zum Vergaberecht, sofern eine Förderung nach §§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 20 EEG beantragt wird.
Die Projektbegleitung der Windkraftanlage zeigte die Komplexität und die Risiken des Baus einer einzigen On-Shore Windanlage. Um die Ziele des § 4a EEG – eine Stromerzeugung von 600 TWh im Jahr 2030 aus erneuerbaren Energien – zu verwirklichen, wird bei einem Stand von 197,9 TWh (Oktober 2022) noch der Bau vieler weiterer erneuerbarer Energieträger erforderlich sein.
Eine nachhaltige und sichere Energieversorgung bleibt weiterhin eine große Herausforderung auf dem Weg zur Klimaneutralität. Nicht nur technisch, sondern auch regulatorisch sind wir alle gefordert, zu diesem Ziel beizutragen.
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Freund Rüll & Partner
Graf von Westphalen